Nachhaltigkeit, Technologie
Nachhaltig Heizen – Die grüne Fernwärme in Österreich
Die Temperaturen fallen täglich und die Heizungsanlagen werden nach und nach wieder in Betrieb genommen. Die ersten Vorboten signalisieren den Beginn der kalten Jahreszeiten. In der Hauptstadt von Österreich ist die Fernwärme der Wien Energie für eine nachhaltige Wärmeversorgung von vielen tausenden Haushalten verantwortlich.
Heizen in der Großstadt
Das Fernwärmenetz der Wien Energie (Österreich) ist mit einer Länge von 1.200 Kilometern Länge (Strecke Wien – Paris) eines der größten in ganz Europa. Insgesamt werden 380.000 Wohnungen (rund 1/3 aller Wiener Haushalte) und über 6.800 Großkunden mit umweltfreundlicher Wärme beliefert.
Aufbau & Funktion
Die Funktionsweise der Fernwärme ist einfach und effizient. Das Leitungsnetz fördert warmes Heizungswasser mit bis zu 160 Grad Celsius bis zu jedem Kunden. Je nach Art der Versorgung, indirekter Anschluss oder direkter Anschluss, werden die Fernwärmeleitungen in das Heizungssystem des Kunden eingebunden. Beim indirekten Anschluss besitzt der Kunde eine sogenannte Übergabestation, welche aus einem Wärmetauscher und verschiedenen Regelungseinrichtungen besteht.
An diesem Punkt wird die Wärme an das Heizungssystem des Kunden übergeben. Der Wärmetauscher trennt dabei das Netz der Fernwärme Wien und die Heizungsanlage des Kunden – eine sogenannte Systemtrennung. Beim direkten Anschluss wird der kein Wärmetauscher eingebaut und die Fernwärme direkt mit dem Heizungsnetz des Kunden verbunden.
Die Regelung der Fernwärme erfolgt über die elektronische Begrenzung der Leistung und der Rücklauftemperatur. Das hat einen ganz speziellen Grund: Leitet der Kunde hohe Temperaturen in das Fernwärmenetz zurück, erhöht sich die gesamte Rücklauftemperatur. Ein hoher Rücklauf verursacht eine schlechte Wärmeübertragung und verringert somit die Effizienz der Anlage.
Prinzip der Leistungsbegrenzung:
Sektorenkopplung – Der Schlüssel zum Erfolg
Das Konzept für die nachhaltige Wärmeerzeugung ist einfach und brillant zugleich: Vorhandene Energie nutzen. Die Wärme für das Fernwärmenetz stammt aus drei verschiedenen Quelle:
2/3 der Wärme liefert die Industrie
mittels Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK-Anlagen) wird gleichzeitig Wärme und Strom aus der Abwärme von industriellen Prozessen erzeugt. Wichtige Ressourcen können somit zweifach genutzt werden und erzielen einen höheren Wirkungsgrad.
1/3 der Wärme stammt aus reiner Abwärme
von den vier Müllverbrennungsanlagen sowie dem Wald-Biomasse-Kraftwerk in Simmering. Jährlich verwertet die Wien Energie 900.000 Tonnen Abfall zu nutzbarer und umweltfreundlichen Energie. Rund 1,5 Millionen Megawattstunden Wärme wird pro Jahr gewonnen und zur Gänze dem Fernwärmenetz zugeführt.
Fernheizkraftwerk – die Reserve
Die restliche Wärme (ca. 1 – 5%) stammt aus den Fernheizwerken, welche als Spitzenkessel konzipiert sind. Das bedeutet, wenn die Grund- und Mittellasterzeuger aufgrund kalter Temperaturen zu wenig Energie liefern, ergänzt das Fernheizkraftwerk die benötigte Wärme. Zugleich bilden die Fernheizwerke eine Ausfallsicherheit, wenn eine andere Energiequelle ausfällt.
Wärme & Strom in einem Prozess
Unter Sektorkopplung wird die Vernetzung der Sektoren der Energiewirtschaft sowie der Industrie verstanden, die gemeinsam gekoppelt und optimiert werden. Die Sektoren Strom, Wärme / Kälte und Verkehr werden dabei nicht mehr getrennt betrachtet.
Die Sektorenkopplung ermöglicht eine Verbindung des Strom- und Wärmesektors und bildet somit die Basis für eine erfolgreiche Wärmewende. Dort wo erneuerbare Wärmeenergiequellen wie biogene Festbrennstoffe, Biogas, Solar- und Geothermie aufhören, kann elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen eingesetzt werden.
Die Fernwärme Wien nutzt die Sektorenkopplung im Sinne einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, um einen Großteil der erforderlichen Wärme effizient erzeugen zu können. Die Verbrennungswärme wird gleich zweimal sinnvoll genutzt, für Strom und Wärme. Die Fernwärme der Wien Energie nutzt für diesen Prozess ein sogenanntes Gas-und-Dampf-Kombikraftwerk (kurz GuD-Kraftwerk).
Funktionsschema eines GuD-Kraftwerks:
Eine mit Erdgas betriebene Gasturbine treibt einen Generator an, welcher elektrische Energie erzeugt. Die heißen Abgase der Gasturbine werden zur Erzeugung von Wasserdampf verwendet. Der gewonnene Dampf wird anschließend über einen herkömmlichen Dampfturbinenprozess entspannt und erzeugt weiteren elektrischen Strom. In diesem Schritt wird gleichzeitig Dampf entnommen und dem Fernwärmenetz zugeführt.
Der Wirkungsgrad von einem normalen Wärmekraftwerk, welches nur Wärme in elektrische Energie umwandelt, liegt zwischen 30 und 45%. Die Wien Energie schafft aufgrund der Kraft-Wärme-Kopplungsanlage, elektrische Energie und Wärme, einen deutlich besseren Wirkungsgrad von rund 86%. Beim Verbrennen von Erdgas entstehen nur wenige Schadstoffe und aufgrund der hohen Effizienz verbraucht das GuD-Kraftwerk viel weniger Ressourcen.
Umweltfreundliche Energie aus Müll
Müllverbrennungsanlagen oder auch thermische Abfallbehandlungen dienen dem Zweck der Volumenreduzierung von Abfall unter Nutzung der enthaltenen Energie. Entsprechend der Vorgabe durch die Deponieverordnung dürfen unbehandelte Abfälle seit 2004 grundsätzlich nicht mehr deponiert werden. Seither hat die thermische Behandlung von Abfall signifikant an Bedeutung gewonnen. Die Müllverbrennungsanlagen sind deshalb auch ein wichtiger Bestandteil der Wiener Abfallwirtschaft.
Ablauf einer Müllverbrennungsanlage anhand der Anlage Spittelau:
In Wien existieren derzeit vier große Müllverbrennungsanlagen: Flötzersteig (1964), Spittelau (1971), Pfaffenau (2008) und das Werk Simmeringer Haide, eine Klärschlamm- und Sondermüllverbrennungsanlage:
Insgesamt erzeugen die Müllverbrennungsanlagen zusammen aus 550.000t Hausmüll, 225.000t Klärschlamm und 90.000t Sondermüll rund 235 MWh elektrische Energie und über 1.5 Million MWh an Fernwärme.
Mit rund 190.000 Tonnen Biomasse versorgt das Wald-Biomasse-Kraftwerk 48.000 Haushalte mit Strom und 12.000 Haushalte mit Fernwärme. Durch den Einsatz von Biomasse werden jährlich rund 144.000 Tonnen CO2 eingespart.
Power-2-Heat-Anlage
Die Power-2-Heat-Anlage in Wien Leopoldau wandelt seit Ende 2017 überschüssigen elektrische Energie in Heißwasser um und trägt somit einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende bei. Die hochmoderne Anlage praktiziert die Koppelung der Sektoren Strom und Wärme, um Energie intelligent und noch effizienter nutzen zu können.
Der Ökostrom stammt aus 10 Windkraftanlagen und wird bei einem Überangebot zur Erhitzung von Wasser in einem Elektroden-Kessel genutzt. Die gewonnene Wärme wird mit ca. 160 Grad Celsius direkt in das Fernwärmenetz eingespeist. Die Leistung der beiden Elektroden-Kessel beträgt zusammen 20 MW, genug um bis zu 20.000 Haushalte mit Wärme zu versorgen zu können.
Die Anlagen sind nicht dauerhaft in Betrieb, sondern nutzen z.b. nur an sehr windstarken Tagen das Überangebot an Ökostrom. Zusätzlich ist die Power-2-Heat-Anlage eine Ausfallreserve für das Fernwärmenetz in Wien.
Grüne Fernwärme für die Zukunft
Die Wiederverwendung von wertvollen Ressourcen senkt den CO2-Ausstoß und vermindert die Feinstaubbelastung. Die Fernwärme der Wien Energie verbraucht im Gegensatz zu fossilen Energieträgern, wie Kohle, Öl und Gas, um bis zu 75% weniger Energie.
Durch den effizienten Einsatz von Abwärme und der Sektorenkopplung spart das Fernwärmekonzept jährlich 1,5 Millionen Tonnen Kohlenmonoxid (CO2) – Ein nachhaltiges Wärmekonzept mit Erweiterungspotential für eine umweltfreundliche Zukunft!